NO STORY TO TELL

Ein Hörspiel von Philipp Feichtinger / Projekt D Kunstuniversität Linz SS2018

 

Überblick

In „No story to tell“ befinden sich die Zuhörer im Kopf und bei den Gedanken des Protagonisten. Neben Adams innerer Stimme sind Atmospheren und Umgebungsgeräusche wahrnehmbar die sich sowohl auf den aktuellen Aufenthaltsort sowie auf Adams Gedanken beziehen können.

Das Hörspiel soll ca. 20 – 30 Minuten Spieldauer erreichen und liefert so eine erste Grundlage für weitere Folgen.

 

Inhalt

Eigntlich war das Geschenk ja lieb gemeint. Das der Adam sich dadurch in der nächsten Sinnkrise befindet hätten sich die Eltern aber auch denken können. Vor allem die Mutter hätte er da sensibler eingeschätzt. Es stimmt schon das sich der Adam viele Gedanken über alles macht. Aber ob er deswegen gleich der Richtige ist, den aktuellen Zustand der Menschheit auf einer Keramiktafel zusammenzufassen die dann in einer dunklen Höhle, mitten im Berg die Zeit überdauern soll. Was ist den überhaupt wichtig? Wo fängt man da an? Und intressiert das den unbekannten Zukunftsmenchen überhaupt  noch wenn er nach der nächsten Eiszeit in ein paar Tausend Jahren auf Adams Tafel stößt. Vielleicht besteht dann gar kein Interesse mehr an komplexen soziologischen oder wirtschafltichen Zusammenhängen. Vielleicht wär ein gutes Rezept für Hühnersuppe doch viel passender. Naja.
Also etwas deplatziert hat er sich bei der Besichtigung im Stollen auf jeden Fall schon gefühlt, neben den Wissenschaftlern, Forscherinnen und grauen Eminenzen. Da haben ein paar alte und faltige Gesichter schon mehr erzählt als das was der Adam in den letzten Tagen auf der ersten Seite seines Collegeblocks gekritzelt hat.  Eigentlich war er ja in letzter Zeit ganz froh über das Einkehren von ein bisschen Normalität in seinem Leben. Klar war da nicht mehr viel los mit Politik und sich für was einsetzten und so, aber der halbwegs regelmäßige Tagesablauf und das weniger Nachdenken haben ihm persönlich, auch wenn er das niemandem so erzählt hat, schon gut getan im Leben.
Aber keine Sorge. Die wenigen Sonnenstrahlen die Adams Dasein in letzter Zeit erreichen konnten waren schon wieder weg als er von der Höhle mit dem Zug zurück in die Stadt gefahren ist. Da ist sein mentaler Zustand in ein noch viel tieferes Loch gefallen als das wo er seine fertige Tafel einmal hinbringen soll.
Was ist das ist überhaupt für ein  scheiß Geschenk, wo man mit 30 sein geistiges Testament schreiben muss?

 

 

Einleitung / Stimmung / Adam

Adam ist ein Träumer. Vielleicht auch ein Idealist. Keine Ahnung. Zurzeit könnte man vielleicht auch Gutmensch sagen. Aber ob man noch ein gutmensch ist wenn man sich heimlich nach mehr Polit Verkehrsunfällen sehnt? Sowie beim Haider? Egal. Der Adam kann sich halt nicht damit abfinden dass so viel Scheiße auf der Welt passiert. In der Schule war er noch voller Motivation was das ganze betrifft. Alles kein Problem, der Hunger, Gewalt, Hass, Gier, Klimawandel. Also schon ein Problem, natürlich, aber dass man das hinbekommt. Fix.

Mit der Zeit hat der Adam dann schon gemerkt dass manches weit entfernt von easy ist. Fast die ganze Oberstufe lang wollt er seinem Papa vermitteln dass es ein Zeichen von Nachhaltigkeit ist wenn man die leere Klopapierrolle für den Nächsten wechselt. Vergebens. Ein alter Hund lernt keine Tricks mehr hat seine Mama immer gesagt. Im Mittelalter wär der Papa schon lang ein toter Hund hat sich der Adam dann gedacht. Und das war auch nicht eine Zeit wo die ganzen jungen Hunde tolle Tricks für eine bessere Welt gelernt haben.

Naja. Apropos Mittelalter. Nach der Matura hat der Adam dann Geschichte studiert. Weil Geschichte ist eine gute Grundlage zum die Welt besser machen hat er sich gedacht. Da weiß man zumindest was man auf keinen Fall wieder machen sollte. So als Menschheit. Bald hat der Adam aber gemerkt das er nur der Adam ist und nicht die Menschheit. Und das der Menschheit meistens ziemlich egal ist was er so sagt.

Damals ist dann langsam allen bewusst geworden wie ernst dass mit dem Klimawandel wird. Also allen natürlich nicht. Der Adam hat sofort auf Biologie gewechselt. Bringt ja nix was für die Menschen zu tun wenn man bald keinen Planet mehr zum Leben hat.

Mit der Zeit hat der Adam aber gemerkt dass es schwierig wird was gegen den Klimawandel zu machen mit einem Wirtschaftssystem dem das Klima wurscht ist. Unsichtbare Hand und so. Also hat der Adam auf WiWi gewechselt. Die Euphorie aus der Schule war zu dem Zeitpunkt schon eher dem Frust gewichen.

Heute ist sich der Adam gar nicht mehr sicher was er alles mal studiert hat. Fix war jedoch als ihm die Eltern den Spaß nicht mehr Zahlen wollten, dass er was arbeiten muss. So wegen Geld für Essen und eine Wohnung. Seit dem versucht sich der Adam durch allerlei Jobs über Wasser zu halten. Weil irgendwann hat der Adam dann schon gemerkt dass es mit Hunger und ohne Schlafplatz schwierig wird mit der besseren Welt.

Von dem her hat es sich eigentlich ganz gut ergeben mit der Wohnung im Ergeschoß. Da bekommt man von der Welt nämlich eh nicht viel mit. Vor allem wenn man nicht will dass die Welt in Form von gelangweilten Jugendlichen und abgeranzten Alkoholikern einem beim trägen masturbieren am Sofa zusieht. Nicht das der Adam nur am Wixen und Gammeln wär, zur Verwunderung seiner seltenen Besuche wohnt der Adam eigentlich sogar sehr schön und ordentlich.

 

Monolog (Auszug)

 

Manchmal bin ich nach dem Aufstehen gleich wieder müde. Das heißt nicht automatisch das der Tag schlecht wird. Auch andere Tage sind schlecht.


Manchmal wenn man bei den Eltern hinten im Auto sitzt fühlt man sich als wär man wieder 12. Jedes Jahr sterben in Österreich so 450 Menschen bei Autounfällen. Nur so als Funfact.


Wir schreiben das Jahr 2018 nach Christus. Aber das mit dem Christus erwähnt man eigentlich eher nicht mehr so. Ist jetzt echt schon lange her die ganze Geschichte. Und es passt auch einfach nicht so gut gerade. Vielleicht hätte man in Europa oder Amerika auch einmal eine neue Zeitrechnung starten können. Eine deren Beginn frei vom Einfluss der Religion oder mächtiger Herrscher ist. Einfach was neues das besser passt. Wir schreiben das Jahr 24 nach Amazon oder so. Meine Mama wäre dann älter als die Zeitrechnung, aber mit solchen Problemen wird man schon fertig. Das hat damals beim Jesus sicher auch einige getroffen. Da sagt man dann halt vor Amazon.


Ich weiß gar nicht was ich sagen würde. Kommt auch drauf an wie sich alles noch so entwickelt. Blöd am Sterben ist ja nicht der Verlust des eigenen Lebens sondern der Verlust von Teilhabe an der großen Story Menschheit. Von wegen wie gehts weiter und so. Letztens hab ich gelesen, dass Kinder die jetzt geboren werden die Chance haben bis zu 120 Jahre auf dem Planeten zu verbringen. Ab wann man bei dieser Chance gezwungen ist wie ein vertrockneter Wurm im Bett zu liegen und täglich einen kleinen Teil seines Körpers mit einem 3D gedruckten Ersatzteil und 15 bunten Pillen zu tauschen, frag ich mich schon.
Aber vielleicht wird alles noch viel verrückter und wir überdauern als Cyborgs die Zeit. Statt Gesunder Ernährung, Fitness und Wellness gelten Wartung, regelmäßige Software Updates und das richtige Schmieröl als neuer gesundheitlicher Leitfaden für unsere Zukunftskörper. Könnte ein harter Schlag für die Kosmetikindustrie werden wenn der Alucarbonklumpen der dein Gesicht ist, dich 200 Jahre unverändert aus dem Spiegel anschaut. Könnte allgemein aber etwas seltsam werden wenn man sich von dem sensiblen biologischen System das uns eher zufällig erschaffen hat, noch weiter entfernt als jetzt.
Was ich sagen würde wenn mich jemand aus einer anderen Zukunft über unsere Zeit fragt. Was ist wichtig was läuft schlecht und so. Kommt natürlich drauf an wer ich bin zu dem Zeitpunkt.

Vielleicht lieg ich ja auf irgendeinem Kreuzfahrtschiff, schau den jungen Frauen beim Volleyball zu, und erzähle wie wunderschön der frei Markt unsere Welt geformt hat, während wir durch den von Plastik bedeckten Pazifik treiben und ich mein Geld mit Hilfe von Nahrungsmittelspekulationen am Smartphone vermehre.        

Vielleicht pflücke ich auch nur auf einer Plantage Früchte. Die Früchte die in Plastik verpackt um die halbe Welt verschickt werden, um den Mario Cart Kids eine bekömmliche alternative zum biblisch bekannten, aber langweilig gewordenen, Apfel zu bieten. Ich erzähl von dem kleinen Land das früher mal mir gehörte während meine eigene Familie im Dreck verhungert und einem weiteren Landstrich die Möglichkeit zur eigenständigen Nahrungsversorgung genommen wurde.

Vielleicht starre ich an irgendeiner Bar frustriert in mein Bierglas weil das alles zu nichts führt. Umgeben von einer komplexen Welt die es dem einzelnen schwer macht sich im großen Kontext zu orientieren erzähle ich von den Vorteilen des Nationalstaates und der Kraft von homogenen Volksgruppen während ich auf meinem in China produzierten Tablet von einer amerikanischen SocialMedia Plattform die Nachricht bekomme, dass mein Account gesperrt wurde. Hab der Fotze eigentlich nur meine Meinung gesagt. Ein Heineken noch bitte.

Schluss damit. Vielleicht bin ich aber einfach nur ich selbst, sitze an einem kalten Wintertag vor dem alten Ofen und erzähle von einer Idee namens sozialer Marktwirtschaft die geschaffen wurde um das neoliberale Casino, zumindest an den Tischen wo alle verlieren, zu schließen. Ein Casino in dem die meisten von uns gar nicht spielen können weil wir die Früchte aus dem Plastik auspacken und sie zu Saft pressen, die Marmorfliesen beim Empfang polieren, die Glühbirnen der antiken Luster wechseln und den fertigen Saft zu den großen Kindern bringen die lieber mit unserer Gesellschaft spielen als mit Mario Cart. Nur während alle voll beschäftigt waren, ich weiß schon die Arbeit, der Verein, noch schnell bisschen Urlaub, neues Handy, meine Serien nicht vergessen, der Hund und alles, während all dem hat irgendwie niemand bemerkt, dass fast alle Tische schon lang wieder geöffnet sind.  

 

 


 

Theoretische Arbeit

 

Themengebiet:

Wissenkultur, Weitargabe von Wissen, Kollektives Gedächtniss, Individuelle Überlieferung

Fragestellungen:

Welche Möglichkeiten zur Bewahrung und Überlieferung von Wissen gibt es?
Welche Bedeutung hat das Audiovisuelle Gedächtniss im Unterchied zu 2500 Jahren schriftlicher Überlieferung?
Welche Bedeutung hat das Individuum als Wissenspeicher?
Was ist an Wissen und Fähigkeiten bereits verloren gegangen?

 

Literaurliste:

// Wissenskulturen: Über die Erzeugung und Weitergabe von Wissen  von Johannes Fried (Herausgeber), Michael Stolleis (Herausgeber)

Wissen wird erzeugt, weitergereicht, vermehrt, aber auch wieder vergessen, unterdrückt oder vernichtet. Es ist ein heftig umworbenes Gut, das moderne Gesellschaften konstituiert und heute als wichtigster Rohstoff gilt. Als gesellschaftliches Produkt hat das Wissen aber auch eine Geschichte. Jede Kultur schafft sich ihren Kosmos nützlichen Wissens, vermischt mit religiösen Überzeugungen, Alltagshypothesen und Vorurteilen. Dieser Geschichte des Wissens gehen die Autoren des Bandes in acht mit leichter Feder geschriebenen Essays aus Sicht verschiedener Disziplinen nach: Philosophie, Mittelalterliche Geschichte, Ethnologie sowie Rechts-, Wirtschafts- und Wissenschaftsgeschichte. Sie ziehen damit die Bilanz aus zehn Jahren Forschung am Frankfurter Kolleg »Wissenskultur und Gesellschaft «. Mit Beiträgen von Wolfgang Detel, Moritz Epple, Johannes Fried, Karl-Heinz Kohl, Matthias Lutz- Bachmann, Werner Plumpe, Bertram Schefold und Michael Stolleis.

// Das Gesetz des Gedächtnisses. Speichermedien als Übertrag des 20. Jahrhunderts von Wolfgang Ernst  (Autor)

Am Ende des 20. Jahrhundert schauten wir – im Unterschied zu 2500 Jahren schriftbasierter Geschichte des Abendlandes – auf eine neue Form der kulturellen Bewahrung und Überlieferung zurück: das audiovisuelle Gedächtnis, das im Zuge der Medien Photographie, Grammophon, Film, Radio, Video, Fernsehen und schließlich Computer (im Verbund mit dem Internet) etwas fixiert, das vorher undenkbar war: Bewegungen des Lebens selbst. Die traditionellen Dokumentationsdisziplinen haben sich erst zögernd dieses neuartigen Erbes angenommen; die medienwissenschaftlich informierten Kulturwissenschaften ihrerseits widmen ihre Aufmerksamkeit zunehmend den sogenannten Kulturtechniken. Die technischen Medien – so eine These dieses Buches – erweitern nicht nur den Raum des kulturellen Archivs, sondern generieren ganz und gar neue Typen des Gedächtnisses, die sich vielleicht nur noch metaphorisch unter dem Begriff „Archiv“ fassen lassen. Es scheint, daß mit den elektronischen Medien eine Akzentverschiebung von der okzidentalen Privilegierung von Kultur als Funktion ihrer Speicher (Orte, Denkmäler, Institutionen) hin zum dynamischen Recycling von kulturellen Daten stattfindet; oder um es – im Sinne des Buches – zu pointieren: von der Speicherung zur Übertragung. Die Konsequenzen daraus für die Medienkultur zu analysieren und einen aktiven Beitrag zum medienarchäologischen Umdenken vertrauter Kategorien des Gedächtnisses zu leisten ist das Anliegen dieser Schrift.

 // Wem gehört die Geschichte? Erinnerungskultur in Litertur und Film von Michael Braun.

// Das Handbuch für den Neustart der Welt. Alles was man wissen muss wenn nichts mehr geht von Lewis Dartnell